Anatomische Betrachtungen, zugrundeliegende Problematik:
Das Schultergelenk hat seine extrem gute Beweglichkeit durch den weitestgehenden Verzicht auf feste, umgreifende Haltestrukturen wie Knochen und starre Bänder erlangt.
Zusätzlich zu einem relativ variabel ausgebildeten Kapsel-Bandapparat ist die Schulter daher wie kein anderes Gelenk des menschlichen Körpers auf aktive Stabilisatoren, das System der sogenannten Rotatorenmanschette angewiesen.
Die Sehnen der Rotatorenmanschette umgreifen den Oberarmkopf wie eine Haube, die zuständigen Muskeln entspringen am Schulterblatt. Zusätzlich ist der komplette Arm nochmals über das Schulterblatt mittels kräftiger Muskelschlingen beweglich mit dem Brustkorb verbunden.
Neben direkten Rotationsbewegungen wirkt das System der Rotatorenmanschette den starken Hebe-und Drehmomenten der kräftigen äußeren Schultermuskulatur entgegen und bewirkt, dass der Oberarmkopf bei sämtlichen Bewegungen aktiv in der relativ kleinen Gelenkspfanne gehalten wird (sog. „Kopfzentrierung“).
Vor allem bei akutem Komplettverlust der Sehnen der Rotatorenmanschette ist daher trotz intaktem Deltamuskel keine, bzw. nur noch rudimentäre aktive Abspreiz-Bewegung im Schulter-Hauptgelenk möglich (sog. „Pseudoparalyse“)
Die Sehnen der Rotatorenmanschette sind großen mechanischen Belastungen ausgesetzt und neigen aufgrund frühzeitiger degenerativer Veränderungen der Sehnenstruktur zu Einrissen. Dies bedeutet, dass mit zunehmendem Lebensalter häufig Bagatell-Belastungen, insbesondere ruckartige Bewegungen, zu einem Nachgeben der Sehnen führen kann. Nicht selten kommt es schleichend zu einem zunehmenden Sehnen- „Verlust“.
Hierbei treten nicht immer Beschwerden auf. Gerade in höherem Lebensalter können selbst großflächige Sehnenverluste völlig asymptomatisch und mit weitgehendem Erhalt der Funktion geschehen, da offenbar die Schulter über die Zeit ausreichende Kompensationsmechanismen entwickeln kann. In dieser Situation kann der Verlust der Rotatorenmanschette als „normaler“ Alterungsprozess“ betrachtet werden, therapeutische Maßnahmen erübrigen sich.
In jüngerem und mittleren Lebensalter jedoch, gerade wenn auch Unfälle eine größere Rolle in der Entstehung spielen, können relativ plötzlich aufgetretene, auch kleine, inkomplette Einrisse der Rotatorenmanschette große Schmerzen generieren.
Bei ausgedehnteren Sehnenverlusten kommen dann funktionelle Einschränkungen, insbesondere der Kraftverlust, hinzu.
Bei großen Sehnenverlusten kann es zu einem Kraftverlust beim Abspreizen und Drehbewegungen des Schultergelenkes gegen Widerstand kommen, die bei der körperlichen Untersuchung anhand mehr oder weniger spezifischer Widerstandtests festgestellt werden können.
Mit einem guten Ultraschallgerät können neben Defekten, die die gesamte Sehnenwand betreffen auch partielle Einrisse erkannt werden.
Am genauesten können Rotatorenmanschettenläsionen anhand einer qualitativ hochwertigen Kernspintomographie (MRT) nachgewiesen werden. MRT-Bilder zeigen in hoher Genauigkeit das Ausmaß des Defektes, wie weit die Sehne bereits vom ihrem Anschluss an den Knochen des Oberarmes entfernt ist („Retraktionsgrad“) und den Zustand der spezifischen Muskulatur. Anhand dieser morphologischen Kriterien lässt sich abschätzen, ob der Schaden ohne Risiko konservativ behandelt werden kann oder besser operiert werden sollte, bzw., ob ein rekonstruktiver Eingriff überhaupt noch Sinn macht.
Bei kleinen und mittelgroßen Schäden der Rotatorenmanschette, die eher schleichend entstanden sind, ist das gezielte Training der Muskeln der Rotatorenmanschette von zentraler Bedeutung, warum?
Die zentrale Funktion der Rotatorenmanschette ist das aktive Halten des Oberarmkopfes in der Gelenkpfanne, sie fungiert quasi als Gegenspieler zum äußeren Deltamuskel, der den Oberarm ohne Rotatorenmanschette nur nach oben ziehen würde, ohne dass eine Abspreizbewegung zustande käme.
Bereits bei kleinen Defekten kommt es offenbar reflektorisch zu einem Nachlassen der Muskelspannung der Rotatoren, was zu einem resultierenden Höhertreten des Oberarmkopfes führt und zur Reizung einer empfindlichen Verschiebeschicht zwischen Rotatorenmanschette und dem Schulterdachknochen, der Bursa subacromialis.
Durch regelmäßiges Training der Schulter-Rotatoren kann nachweislich eine muskuläre Kompensation des eingetretenen Funktionsverlustes erzielt werden. Es kommt zu einer Entlastung der Bursa subacromialis und Nachlassen der sehr störenden Schmerzen.
Wichtig ist allerdings die regelmäßige selbstständige Fortsetzung eines erlernten Übungsprogrammes durch den betroffenen Patienten, z.B. mittels Terabänder oder Expander oder in einem Fitness Studio mit entsprechenden Seilzügen.
Schulterspezialisten sind sich, auch international, weitestgehend einig, dass ausgedehntere Ablösungen der sog. Subscapularissehne , die für die Schulterfunktion von essentieller Bedeutung ist und allgemein größere, plötzlich (unfall-bedingt) eingetretene Schäden der Rotatorenmanschette operativ versorgt werden sollten, da diese Situation in der Regel nicht oder unzureichend funktionell kompensierbar ist und es weitaus schneller zu einem unumkehrbaren Umbau der Rotatoren-Muskeln (sog. „fettige Infiltration“) kommen kann als bei schleichendem, degenerativen Sehnenverlust.
Bei Schulterauskugelungen des älteren Menschen kommt es oft im Gegensatz zum jungen Menschen zu einem ausgedehnten Ausriss der Rotatorenmanschette, was eine Rekonstruktion zwingend notwendig macht um das Gelenk wieder zu stabilisieren.
Darüberhinaus stellt jede Rotatorenmanschettenläsion, deren konservative Behandlung nicht zu einem befriedigenden Resultat führt eine Indikation zur Rekonstruktion dar, sofern der individuelle Zustand der Sehne und deren muskuläre Situation eine ausreichende Chance auf einen Erfolg der Operation zulassen.
Bei einer Sehnenrekonstruktion an der Rotatorenmanschette ist das Ziel, die abgelöste Sehne möglichst anatomisch korrekt sowie spannungsarm und stabil wieder am Knochen des Oberarmes zu befestigen. Hierbei finden bei der arthroskopischen Technik sog. Fadenanker Verwendung, die im Knochen verbleiben. Alternativ können die Fäden, welche die Sehne halten auch mittels spezieller Hilfsinstrumente oder großer Nadeln direkt am Knochen fixiert werden. Der entscheidende Nachteil dieser Technik ist jedoch, dass die Fäden bei der häufig reduzierten Knochenqualität ohne zusätzliche „Augmentationsplättchen“ auslockern können.
Prinzipiell sollte vor jeder offen-chirurgisch geplanten Rotatornmanschetten-Naht unbedingt das Gelenk arthroskopisch untersucht werden, da hierbei häufig vorhandene zusätzliche Gelenkschäden, die auch guten präoperativen MRT-Untersuchungen entgehen können, entdeckt und mitbehandelt werden können.
Betrachtet man die Resultate hinsichtlich erfolgreicher Anheilung der Sehne und Patientenzufriedenheit derjenigen Studien, die jeweils eines der beiden Verfahren für sich analysiert haben, so finden sich hier keine signifikanten Unterschiede.
Die Vorteile der offenen Technik sind, dass sie bei großen Sehnenschäden schneller ist und sich bei Verzicht auf sog. Fadenanker zur Befestigung der Sehne am Knochen deutlich kostensparender bewerkstelligen lässt.
Zudem ist das arthroskopische Verfahren technisch sehr viel anspruchsvoller und für den Chirurgen sehr viel langwieriger zu erlernen.
Eine aktuelle Studie (Journal of Shoulder and Elbow Surgery, Nov 2015, 24) hat die Komplikationsraten beider Verfahren anhand des amerikanischen Veteranen – Registers überprüft und hierbei 6975 offene Operationen mit 2918 arthroskopisch durchgeführten verglichen.
Es zeigte sich eine statistisch signifikant höhere Infektionsrate bei den offen operierten Patienten (Faktor 10!) und ein doppelt so hohes Risiko für erneute Operationen innerhalb von 30 Tagen nach der primären OP.
Somit ist das arthroskopische Verfahren nicht nur kosmetisch ansprechender sondern für den Patienten eindeutig sicherer bei gleich guten Resultaten im Vergleich mit offenen Techniken.
Der vordergründige Spareffekt durch geringere OP-Kosten bei der offfenen Technik relativiert sich durch die signifikant höhere Rate an Revisions-Eingriffen.
Diese Studie hat uns in unserem nun seit mehr als 10 Jahren bestehenden Anspruch bestärkt, auch größere Sehnenschäden, insbesondere Schäden der sog. Subscapularissehne, konsequent und ausschließlich in arthroskopischer Technik durchzuführen.
Befestigt man die Sehne mit zwei Nahtreihen, deren Fäden sich zusätzlich noch kreuzen, gelingt es die volle Fläche der knöchernen Ansatzzone der Sehne am Oberarmkopf für die Heilung auszunutzen. Die zweireihige Technik hat sich in Laborversuchen deutlich stabiler erwiesen, anhand von klinischen Vergleichs-Studien finden sich jedoch keine besseren Werte hinsichtlich Funktion und Zufriedenheit der Patienten.
Allerdings führt die zweireihige Technik zu einer bildtechnisch beweisbaren, häufigeren Anheilung der Sehne, weswegen wir, sofern die anatomische Situation dies zulässt, v.a. größere Schäden zweireihig versorgen.
Die spezifischen Nachbehandlungspläne, die unsere Patienten im Anschluss an die OP erhalten, berücksichtigen das individuelle Schadensmuster des Patienten (welche Sehnen betroffen sind) und das Ausmaß der Schädigung der Rotatorenmanschette.
Unsere Nachbehandlungspläne nach Rotatorenmanschetten-Nähten basieren hierbei auf ein kürzlich publiziertes „Konsensus- Statement“ der Amerikanischen Gesellschaft der Schulter-und Ellenbogen Physiotherapeuten (Thigpen et al., 2016), das sämtliche wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu diesem Thema berücksichtigte, die bis dato verfügbar sind.
Nach dieser bislang einzigartigen Empfehlung ist eine Protektion der Sehnennaht (Tragen eines Abduktionskissens), abhängig von dem Ausmaß der Schädigung, der Sehnenqualität, u.a. von 2-4 Wochen vorgesehen.
Die ersten 6 Wochen nach OP wird die Nachbehandlung strikt passiv geführt, Patienten müssen aktives Abspreizen und Anheben des Armes in dieser Zeit vermeiden.
In dieser Phase erhält jeder Patient leihweise einen motorisierten Bewegungsstuhl für die tägliche Anwendung zuhause um durch regelmäßige passive Beübung Verklebungen des Gelenkes, bzw. der Sehnen zu vermeiden.
Je nach Situation schließt sich dann eine vierwöchige Phase der aktiven oder nur aktiv-assistiven Beübung an.
Hiernach folgen vier Wochen der aktiven Beübung gegen Widerstand, bei ungünstigem Sehnenbefund oder wiederholtem Eingriff aktives Üben ohne zusätzlichen Widerstand.
Die nächsten vier Wochen der Nachbehandlung beinhalten dann ein langsam gesteigertes Kraft-Ausdauer Training, dann folgt die Endphase mit gezieltem Kraftaufbau.
Die arthroskopische Rekonstruktion der Rotatorenmanschette ist bedingt durch die minimal-invasive Technik und dem damit verbundenen intensiven Spülen des Gelenks ein komplikationsarmer Eingriff.
Manche Patienten neigen trotz regelmäßiger Physiotherapie und Benutzung des Bewegungsstuhls zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Kapsel-Verkürzung, die sich in einer eingeschränkten Bewegungsfähigkeit der operierten Schulter zeigt. Meist ist dieses Problem durch Intensivierung der Physiotherapie zu beseitigen.
Sollte die Beweglichkeit des Gelenks 3-4 Monate nach der OP noch deutlich eingeschränkt sein, führen wir eine sog. Hydrodilatation durch. Hierbei wird unter Kurznarkose eine kontrollierte Aufweitung der Gelenkkapsel durch Einpressen einer Kortison- / Kochsalzlösung erzielt.
Selten und am ehesten nach Begleiteingriffen am Schulterdachknochen (Akromion) oder Schultereckgelenk kann es zu vermehrten feingeweblichen Verklebungen bis hin zu starker Vernarbung der Sehne mit der Unterfläche des Akromions kommen.
Diese können trotz erfolgreicher Sehnenheilung und guter Beweglichkeit der Schulter zu störenden Restbeschwerden führen und im Einzelfall eine arthroskopische Revision notwendig machen, bei der diese Verklebungen beseitigt werden müssen.
Die häufigste „Komplikation“ nach Rekonstruktionen der Rotatorenmanschette ist die inkomplette oder ausbleibende Anheilung der refixierten Sehne am Knochen des Oberarms.
Dieses Phänomen geschieht mit einer Häufigkeit von wenigen Prozent bis hin zu 80 Prozent , je nach Ausgangssituation.
Meist liegt die Ursache hierfür in einem „biologischen Versagen“ des Sehnengewebes.
Entscheidende Faktoren, welche sich negativ auf die biologische Qualität des Sehnengewebes auswirken sind die Zeitspanne zwischen Entstehung des Sehnenschadens und operativer Versorgung, das Ausmaß der Sehnenverkürzung („Retraktion“), die Größe des Sehnenschadens und das Alter des Patienten.
Viele aktuelle wissenschaftliche Bemühungen zielen auf eine Verbesserung der Anheilfähigkeit des Sehnengewebes ab.
Diese „biologischen Augmentationsverfahren“ beinhalten verschiedenste Faktoren des komplexen Heilprozesses oder Extrakte aus dem Blut.
In einzelnen Studien mit geringen Fallzahlen führte die Verstärkung der Sehnenrekonstruktion mittels sogenannter „Patches“zu einer verbesserten Anheilrate.
Wir führen diese „mechanischen Augmentationen“ nur im Revisionsfall in arthroskopischer Technik durch.
Problematisch hierbei ist neben dem hohen operativen Aufwand die bis dato ungeklärte Kosten-Übernahme-Situation für derartige Verfahren.
Auch wenn die Anheilung der Sehne entscheidend für ein optimales Resultat ist, tritt auch bei Patienten, bei denen die rekonstruierte Sehne nur inkomplett oder gar nicht heilt, häufig eine klare Verbesserung gegenüber dem Zustand vor OP ein.
Offenbar kann auch bei unvollständiger Sehnenheilung eine biomechanische Verbesserung im Gelenk erzielt werden, manchmal sind es aber auch hocheffektive Begleitmaßnahmen, wie z.B. die häufig notwendige Durchtrennung oder Verpflanzung der langen Bicepssehne, die über eine signifikante Schmerzlinderung zum OP- Erfolg maßgeblich beitragen.
Wir kontrollieren jede rekonstruierte Rotatorenmanschette im postoperativen Verlauf mittels Ultraschall, im Zweifel mit einer erneuten Kernspintomographie.
Ob bei nicht erfolgter Sehnenheilung eine nochmaliger Reparatur Sinn macht, ist eine individuelle Einzelfall Entscheidung.
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